Das Problem Shades of Grey und die Fragen die ich mir dazu stelle

Die Bücher, sowie auch die Filme spielen mit Nervenkitzel, Lust, Dominanz und Unterwerfung. Das macht sie aufregend – so aufregend, dass sich die Romane über 100 Millionen Mal verkaufen, trotz dürftigem Plot und kindlichem Schreibstil?
Ich lese mich durch die Weiten des Internets und versuche diese Frage, zumindest teilweise, zu beantworten. Eine Begründung, die mir mehrmals begegnet – und die mich wirklich schockiert – ist folgende: Moderne Beziehungen seien von solch grosser Unsicherheit geprägt, dass, der im Buch geschilderte, vermeintliche BDSM ein Weg zur Restabilisierung von Geschlechterrollen sei, die mit den Freiheiten, die Frauen heutzutage haben, kompatibel werden.
Sind wir, mit all den Gestaltungsmöglichkeiten, die wir in unseren Beziehungen haben, so verloren, dass viele Frauen sich nach einem Mann sehnen, der ihnen die Keule über den Kopf zieht, sie in seine Höhle schleift und sie darin gefangen hält wie den Vogel im goldene Käfig? Und wenn ja, ist das nicht einfach Bequemlichkeit, sich in Traditionen und alten Mustern zurück zu lehnen, statt die Sache selber in die Hand zu nehmen und Beziehungen und Sexualität so zu gestalten wie es einem als richtig erscheint?
Oder sind es tatsächlich einfach dieser Nervenkitzel von einem Mann einmal so richtig „ran genommen“ zu werden und die Phantasien, die bei vielen Frauen (Studien zeigen Zahlen zwischen 40% und 60%) Richtung Vergewaltigung gehen, die die Bücher erfolgreich machen?

Nun noch zum Problem Shades of Grey:
Shades of Grey beschreibt eine sexuell missbräuchliche Beziehung die unter dem Denkmantel BDSM daher kommt und so garnichts mit der Idee BDSM und deren Grundlagen zu tun hat. Christian Grey manipuliert die sexuell unerfahrene Anastasia, macht sie mit Alkohol gefügig und missachtet das vorher ausgemachte Safe Word, welches von Anastasia ausgesprochen wird. Jemanden mit Alkohol gefügig zu machen ist rechtlich eine Vergewaltigung, die Missachtung des Safe Words (also eine zurückgezogene Einwilligung) sexuelle Nötigung. Weiter zeigt sich die Figur Christian Grey als eifersüchtig und Reizbar, so dass Anastasia um ihre Sicherheit fürchtet. Ausserdem gibt es Momente im Film, in denen Anastasia nach einem Spiel emotional aufgelöst ist, und von Christan Wut und Ablehnung erfährt, statt After Care – wie nach einer BDSM Session üblich.

Das Buch stellt Missbrauch als Fetisch dar und romantisiert die Handlungen von Christian Grey, eine Darstellung die eine völlig falsche Sicht auf BDSM und die Menschen, die diese Neigung haben, wirft. Das Verhalten von Christian Grey ist höchst übergriffig und unreflektiert, beides Eigenschaften, die in der BDSM Community nicht gut ankommen. Die Anhänger der Community legen grossen Wert auf Einvernehmen und Konsens, oft wird vor einem Spiel lange und ausführlich darüber gesprochen, was passieren soll und was nicht, im Besonderen, wenn sich die Beteiligten nicht gut kennen. Dabei Spielen Bezeichnungen wie SSC (Safe, Sane, Consensual – Sicher, bei gesundem Menschenverstand und Einvernehmlich) oder RACK (Risk-aware Consenual kink – Risikobewusster, einvernehmlicher kink) eine wichtige Rolle. Ausserdem wird in der Regel immer ein Safeword vereinbart, bei dessen Nennung alle Handlungen sofort unterbrochen werden, um dann zu entscheiden ob und wie man weitermachen möchte. Das Safeword kann ganz individuell vereinbart werden, oder man verwendet das im Deutschsprachigen Raum allgemein gültige Safeowrd „Mayday“. Spielt man in einem öffentlichen Raum, werden umstehende sogar angehalten, einzugreifen, sollte ein Safeword missachtet werden.

Angehörige der BDSM Community sind sehr darauf bedacht, dass es allen beteiligten vor, während und nach einem Spiel gut geht und dass nichts passiert, was vorher nicht abgesprochen war. Ausserdem wird grossen Wert auf After Care gelegt, um den Übergang aus dem Spiel für alle Beteiligten so angenehm wie möglich zu machen.

Mir geht es mit obigen Ausführungen nicht darum, das Lesen der Bücher oder das Anschauen der Filme zu verurteilen. Ich kann zum Beispiel auch nicht nachvollziehen, wie Menschen Horrorfilme und ähnliches anschauen können, wo man heute weiss, welche Wirkung bewegte Bilder auf das Gehirn haben. Jeder soll ich das zu Gemüte führen, was er in dem Moment als richtig erachtet. Mir geht es darum, aufzuzeigen, dass Shades of Grey nichts mit BDSM zu tun hat.

Für weitere Infos zum Thema, vorallem geeignet für Einsteiger, empfehle ich „Das SM-Handbuch“ von Matthias T. J. Grimme 1996 und „die Wahl der Qual“ von Kathrin Passig und Ira Strübel 2009

Michelina
michelina@zwischenwelten.ch
3 Comments
  • Sarjana
    Posted at 20:56h, 19 März

    Ich habe das Buch nicht gelesen – hab es versucht, aber es ist sprachlich derart miserabel dass ich es gleich wieder weglegte.
    Immerhin ein positiver Aspekt hat der Erfolg des Buches: Das Thema BDSM gelangte so ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit.

    • Michelina
      Posted at 12:52h, 20 März

      ja dem stimme ich zu!

    • Danny
      Posted at 18:49h, 06 Mai

      „Das Thema BDSM gelangte so ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit.“
      Dem gegenüber steht jedoch: „Shades of Grey beschreibt eine sexuell missbräuchliche Beziehung die unter dem Denkmantel BDSM daher kommt und so garnichts mit der Idee BDSM und deren Grundlagen zu tun hat.“

      Ich habe zwar weder den Film gesehen noch das Buch gelesen. Aber vor allem nachdem was ich hier lese, erscheint mir Dein letzter Satz eher als Pyrrhussieg. Ich hatte oft den Eindruck das die Leute die Hollywood-Interpretation als Definition für BDSM nehmen.

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